"Der Palast der Borgia" (Sarah Dunant)


Was bedeutet diese Wertung?
Rodrigo Borgia ist Schirmherr einer einflussreichen spanischen Adelsfamilie im 15. Jahrhundert. Der Name sollte eigentlich jedem, der einigermaßen historisch interessiert ist, ein Begriff sein. Die Familie Borgia besaß zu dieser Zeit ein umfangreiches Pensum an Macht und Einfluss und wurde später als Inbegriff des Nepotismus (*Vetternwirtschaft) bekannt. Im Buch "Der Palast der Borgia" wird auch ziemlich schnell deutlich, warum. Der Roman beginnt in einer Zeit des Umbruchs - der Papst ist tot, und es findet gerade ein Konklave (*Papstwahl) statt, um ein neues Kirchenoberhaupt zu bestimmen. Durch Intrigen und einige sehr geschickte Schachzüge, schafft es Rodrigo Borgia, aus einem Streit zweier Parteien als der glückliche Dritte hervorzugehen und die Wahl zum Papst zu gewinnen. Fortan nennt er sich selbst Alexander, der VI. und zögert keinen Augenblick, seine ohnehin schon weitreichenden Machtverhältnisse noch erheblich auszubauen. 

Hier geht es aber nicht nur um ihn selbst, sondern auch um seine Familie, denn der neue Papst hat mehrere uneheliche Kinder, aus denen er keinen Hehl macht. Ganz im Gegenteil - er holt sie und seine auffallend junge und schöne Geliebte Guilia zu sich nach Rom. Fortan beginnt ein beinahe verwirrendes Spiel um Kriege, Einfluss in den großen Städten Italiens und Frankreichs, Beziehungen zu Königshäusern und immer wieder arrangierten Hochzeiten, um sich an dieser und jener Stelle Freunde und Macht zu verschaffen. Das alles spielt in einer Zeit, in der gerade Amerika entdeckt wurde und kolonisiert werden soll und sich überdies auch noch eine neue, unheilbare Krankheit ausbreitet, die als Erstes in den Hafenstädten Frankreichs aufgetaucht ist und "Franzosenkrankheit" genannt wird, ihr ahnt es schon - es handelt sich um die Syphilis, für die bekanntermaßen ja erst in den 1930er Jahren ein Heilmittel gefunden wurde. 

Auch diese Erkrankung taucht im Roman immer wieder auf und spielt eine wichtige Rolle, da auch die Protagonisten, d.h. die Familie Borgia, von dieser Infektion nicht verschont bleiben. Das ganze historische Grundgerüst ist für Interessierte auch sehr spannend. Man erfährt viel über die damaligen Lebensverhältnisse und Ansichten, viel über Umstände, den Glauben oder Nicht-Glauben und darüber, dass Heuchelei und Bigotterie keine Erscheinung der Neuzeit sind. Die obersten Kirchenvertreter sind erwartungsgemäß von der Frömmigkeit ungefähr so weit entfernt wie der Stuhl Petri vom Mond. Dieses Leitmotiv taucht im Roman auch immer wieder auf, und Papst Alexander der VI. setzt dieser Situation mit seinen Intrigen und Machtspielen auch immer wieder die Krone auf. Beispielsweise entscheidet er völlig eigenmächtig über Scheidungen, Heiraten, Exkommunikationen oder Königskrönungen - wenn es mit dem kanonischen Gesetz nicht in Einklang zu bringen ist, nun dann wird alles eben so hingedreht, dass es passt. All das bietet wunderbaren Erzählstoff für einen Roman, aber leider wurde dieses Potenzial für "Der Palast der Borgia" nur unzureichend ausgeschöpft. Es entwickelt sich die ganze Zeit über kein wirklicher Spannungsbogen, viele Dinge sind vorhersehbar, und man hat eigentlich an keiner Stelle das Gefühl, dass man jetzt unbedingt weiterlesen muss, weil es so spannend war. Nach etwa 3/4 des Buches, das wirklich umfangreich ist, habe ich beschlossen, dass ich es jetzt erstmal weglege und eventuell später weiterlese. Es hat mich leider überhaupt nicht gefesselt. 

Für historisch Interessierte gibt es eine Leseempfehlung, wer kurzweilige Unterhaltung sucht, ist hier leider nicht so gut bedient. Für die gute Recherchearbeit und die Umsetzung des historischen Handlungsrahmens gibt es von mir allerdings trotzdem noch drei Chakren.

[zhu]

Werbung: Interesse am vorgestellten Buch? Kaufe es über den Link und unterstütze die Gurus!


Kommentare

  1. früher habe ich ganz gerne mal historische Romane gelesen ... mitlerweile ist es mehr und mehr Fachliteratur, aber wenn ich mal mehr Zeit habe, wäre das auch definitiv ein ein Buch für mich :)

    liebste Grüße auch,
    ❤ Tina von liebewasist.com

    AntwortenLöschen
  2. Puh, also irgendwie komm ich an historische Romane nicht so ran. Ich mag es lieber blutig - Thriller, Krimis und Horror sind eher so mein Ding. Aber lieben Dank für die Vorstellung!

    Liebste Grüße,
    Sarah von www.vintage-diary.com

    AntwortenLöschen
  3. Dieses Buch ist jetzt nicht so mein Fall. Liebe Grüße, Claudia

    AntwortenLöschen
  4. Leider sind so historische Romane nicht ganz mein Genre; aber meine Schwester mag sowas sehr gern. Ich spreche Ihr mal eine Empfehlung aus.

    Liebst, Elisa

    AntwortenLöschen
  5. Hört sich interessant an. Historische Themen sind sicher nicht für Jedermann und auch ich, selbst wenn ich interessiert bin, kann mir das auch nur geben wenn ich grade Lust dazu habe.
    Denke aber dass es sich dann lohnen kann, von dem was du schreibst.
    Liebe Grüße,
    Tama <3

    AntwortenLöschen
  6. Hallo,
    ich habe vor einiger Zeit eine Serie über die Borgia gesehen und fand das Historische Thema an sich schon sehr spannend. In einen Buch kann ich mir die Geschichte natürlich nochmal viel besser vorstellen. Herzlichen Dank für deine ausführliche Rezension.

    Liebe Grüße
    Blog-Pirat
    https://blog-pirat.com

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Und was sagst du dazu?