"Schöne Seelen" (Philipp Tingler)
Schöne Seelen (Philipp Tingler)
»Ich
bin aufgewachsen in einer Sphäre, wo man nicht mal sagt, was man
denkt, wenn das Haus in Flammen steht«, erklärt Lauren ihrem
Ehemann, dem Schriftsteller Oskar Canow. Denn Oskar will eine
Therapie machen. Allerdings nicht für sich selbst, sondern
anstelle seines Freundes Viktor, der wiederum von seiner Ehefrau
Mildred dazu genötigt wird.
Philipp Tinglers neuester Roman begleitet nicht nur Oskar Canow in das Behandlungszimmer von Doktor Leonid Hockstädder, Psychohilfe der besseren Kreise, sondern seziert die gute Gesellschaft, ein Milieu, in dem die Gesichter mit Hyaluronsäure gefüllt sind, Partygeschwätz das Leben ersetzt und der Psychotherapeut
kleine Aufwallungen des Gemüts zu glätten hat wie der Schönheitschirurg die Haut. Die Herzen aber sind leer. Oder doch nicht?
Meinung
Die
Handlung beginnt in einer Suite der Privatklinik »Le Retrait« vor
den Toren der lieblichen Stadt Genf. Denn dort liegt Millivina von
Runkle, eine große Dame der Zürcher Gesellschaft, im sterben. Grund
ihres Ablebens, bei dem letztem Facelift hatten sich Komplikationen
eingestellt - eine Thrombose (Antithrombosestrümpfe hat die
Patientin aufgrund des Aussehens strikt verweigert), verbunden mit
einer Infektion der Lunge und einer Verletzung der Gesichtsnerven.
Vermutlich wären jene Komplikationen bei jeder anderen Operation
ebenfalls aufgetreten, denn Millivina ist nicht mehr die jüngste und
leidet seit Jahren an Rheumatismus und Arthritis. Abgesehen davon hat
sie sich im laufe ihres Lebens immer wieder zahlreichen Prozeduren
hingegeben um der Schönheit und dem jugendlichen Aussehen auf die
Sprünge zu helfen. Das perfekte Aussehen – nichts anderes zählt,
denn es gibt einen Leitspruch - Man kann niemals zu reich sein und
niemals zu dünn. Niemals. Deshalb macht sich Millivina auch über
eine Glukose-Infusion Sorgen anstatt ihres baldigen Ablebens. Davon
wird man doch wohl nicht fett? So liegt sie also prunkvoll gekleidet
und nahezu perfekt geschminkt in ihrer Suite der Privatklinik und
wird wohl bald den letzten Atemzug von sich geben. Vorher jedoch,
verrät sie dem Schriftsteller Oskar, dass ihre Tochter Mildred
adoptiert sei. Doch das dürfte aber unter keinen Umständen jemand
erfahren. Zufällig ist Oskar der beste Freund von Viktor, welcher
der Ehemann von Mildred ist. Die Ehe von Viktor und Mildred ist nicht
die Beste, denn Mildred ist eine sehr komlipzierte und auf sich
bezogene Frau. Auf die Bedürfnisse ihres Mann geht sie so gar nicht
ein. Trotzdem möchte Viktor seine Ehe retten, hat dafür aber leider
auch keine Zeit und darum bittet er seinen besten Freund Oskar für
ihn eine Therapie zu machen. Oskar lässt sich darauf ein und macht
einen Termin bei einem Psychiater. Doch was Anfang recht gut
funktioniert, wird in einer Katastrophe enden.
Der
Anfang des Buches hat mir sehr gut gefallen. Der schwarze Humor hat
genau meinen Nerv getroffen und ich musste, trotz des makaberen
Ableben einer Person, ziemlich oft schmunzeln. Auch der Schreibstil
hat mir bis dahin recht gut gefallen. Was sehr oft nicht leicht
erschien, denn der Autor hat einen relativ überzogenen und
hochgestochenen Schreibstil. Der Mittelteil, also die Therapie die
Oskar beginnt, ist mühsam zu lesen und relativ langweilig. Denn es
passiert rein gar nichts. Auch von der anfänglichen Satire ist hier
kaum noch etwas zu lesen. Irgendwann wird dem Leser sogar noch ein
Vortrag über die Kreativität in der Psychologie vorgesetzt. Es las
sich alles gleich, selbst die Dialoge der im Buch vorkommenden
Personen konnte man gar nicht mehr auseinander halten. So quält man
sich also von Seite zu Seite und hofft auf ein baldiges Ende des
Buches, oder auf eine Handlung die endlich mal wieder zum
anfänglichen Schreibstil zurückkehrt. Man hofft vergebens. Was man
allerdings serviert bekommt sind hochgestochene und schwer zu
verstehende Worte, da sie einfach gar nicht im alltäglichen
Sprachgebrauch eines Ottonormalverbraucher vorkommen oder
Fachbegriffe aus der Psychologie, deren Bedeutung selbst ein
Psychologe vermutlich erst mal nachschlagen muss. Die englischen
Phrasen die manche Personen um Buch von sich geben, setzen dem ganzen
noch die Krone auf. Irgendwann war ich einfach nur noch müde und
genervt. Ja, genervt war ich wirklich. Ich habe das Buch dann auch
abgebrochen. Ein Buch sollte seinen Leser in seinen Bann ziehen,
fesseln und festhalten. Es sollte seinen Leser mitnehmen in eine
andere Welt und dort mit ihm Achterbahn fahren. Schnell, langsam,
rauf und runter und am Ende katapultiert eben jenes Buch seinen Leser
im hohen Bogen, völlig befriedigt zurück in die reale Welt. „Schöne
Seelen“ lässt seine Leserschaft lieber nebenher laufen und
verwirrt mit hochgestochenem Gefasel und langweiligen Vorträgen.
Irgendwann ist man bei jenem Spaziergang an der Stelle angelangt wo
der Ententeich links neben einem interessanter erscheint und man
einfach abbiegt.
Vielleicht
nehme ich mir das Buch irgendwann noch einmal zur Hand und lese es zu
Ende. Irgendwann – denn momentan habe ich darauf keine Lust bzw.
keinen Nerv.
[seven]
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