"Die chinesische Sängerin" (Jamie Ford)

Was bedeutet diese Wertung?
Von Jamie Ford hatte ich bisher noch nie etwas gehört, geschweigedenn gelesen. Dieses Buch war dank der Leseprobe und des Gewinns zum Vorablesen eine Premiere. Schon in der kleinen Kostprobe fand ich den Roman sehr spannungsgeladen. Der ausgewählte Teil war von Anfang an fesselnd, und rekapitulierend kann ich sagen, dass sich dieser Spannungsbogen über den kompletten Verlauf des Buches gehalten hat. 

Der Roman hat zwei Protagonisten, aus deren Perspektive wechselnd erzählt wird. Die Geschichte dreht sich zunächst um den 12jährigen, chinesisch-stämmigen Waisenjungen William Eng, der seit 5 Jahren im Sacred Heart Waisenhaus lebt und dort von Ordensschwestern mit äußerst fragwürdigen Erziehungsmethoden betreut wird. Während der 1920er, 1930er Jahre waren diese Methoden (körperliche Züchtigung, Einsperren, Fixieren etc.) sehr geläufig und selbstverständlich, wodurch sie einem aufgeklärten Neuzeitmenschen der Moderne noch archaischer und barbarischer vorkommen. Der Autor beschreibt die Geschehnisse sehr realitätsnah, sie wirken nicht aus der Luft gegriffen, übertrieben oder erzwungen. William Eng weiß nichts über seine Vergangenheit, seine Familiengeschichte wird von den Nonnen geheimgehalten und nur zu seinem Gemeinschaftsgeburtstag (alle Waisenkinder im Haus haben der Einfachheit halber als gleichen Tag "Geburtstag") bruchstückhaft preisgegeben. Aber das Schicksal nimmt eine bedeutende Wende für ihn, und es geschieht, dass er bei seinem "Geburtstagsausflug" das Filmplakat einer chinesischen Sängerin sieht und darauf seine Mutter wiedererkennt. Dieser Umstand bringt einen Stein ins Rollen, der zu einer schicksalhaften Begegnung und zum Aufdecken der Familiengeschichte führt. 

Ein wichtiger Teil und die zweite Hauptperson in diesem Drama ist die bereits erwähnte Sängerin, der das Buch auch den eher unscheinbaren Titel zu verdanken hat. Der Leser erfährt nun, welche widrigen und grausamen Umstände dazu führten, dass Liu Song Eng (alias "Willow Frost") gezwungen war, ihren über alles geliebten Sohn ins Waisenhaus zu geben. Die Geschichte ist nicht nur auf der persönlich-individuellen oder emotionalen Ebene interessant, sondern entführt den Leser auf eine Reise in die Vergangenheit, in der es keine Gleichberechtigung der Geschlechter gibt, in der gemischrassige Ehen verboten sind, Unterdrückung, Elend und Armut herrschen, das Ende der Goldenen Zwanziger, die Große Rezession. 

Der gesellschaftspolitische Exkurs ist nicht nur wahnsinnig interessant, sondern auch für den Handlungsverlauf des Romans von großer Bedeutung. Die historischen Bedingungen bilden den Rahmen für die gesamte Geschichte und sorgen dafür, dass es nicht langweilig wird. Nichtsdestotrotz kann ich für das Buch keine vollen 7 Chakren vergeben, da viele Situationen und Geschehnisse in der Story doch sehr vorhersehbar waren und das Ende ruhig etwas dramatischer hätte sein können. Gute fünf Chakren gibt es von mir und eine Leseempfehlung für alle, die gern Gesellschaftskritik in historisch verpackter Romanform lesen.

[zhu]


Werbung: Interesse am vorgestellten Buch? Kaufe es über den Link und unterstütze die Gurus!

Kommentare

  1. von dieser Autorin habe ich bisher auch noch nichts gehört, aber die gesellschaftspolitische Thematik klingt wirklich ganz interessante und vielversprechend :)

    liebste Grüße auch,
    ❤ Tina von liebewasist.com

    AntwortenLöschen
  2. Von der Autorin habe ich auch noch nichts gelesen, aber damn! Deine Rezension hat mich total geflasht und ich habe jetzt große Lust dieses Buch zu lesen. Auch das Cover hat es mir angetan. Vielen Dank für Tipp, wandert gleich auf meine WuLi.

    Liebe Grüße,
    Mo

    AntwortenLöschen
  3. Ich kannte die Schriftstellerin auch noch nicht. Klingt aber sehr interessant das Buch. Danke für die Rezension, ich werde es mal im Hinterkopf behalten.
    LG aus NOrwegen
    Ina

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Und was sagst du dazu?